Zu Beginn eine provokative Frage: Wie viele Werbekampagnen fallen ihnen ein, in denen Menschen über 60 das letzte Mal auf ansprechende Weise dargestellt wurden? Wahrscheinlich nur sehr wenige, wenn nicht sogar gar keine.
Aufgrund seines Alters wird der Mensch unwillkürlich in verschiedene Verhaltensmuster einsortiert. Dieses Phänomen existiert schon seit Generationen, es ist ein Automatismus, der im Menschen verankert ist. Interessant wird es jedoch, wenn man dieses Phänomen im Hinblick auf die Werbewelt betrachtet:
Ältere Menschen, die vielleicht gerade erst die 60 erreicht haben, sind dort so gut wie unsichtbar.
In der Werbewelt wird primär ein Bild von Menschen über 60 gepflegt, die körperliche Beschwerden haben (In diesem Zusammenhang fällt ihnen vielleicht doch die ein oder andere Werbung ein), sich nicht mehr für die schönen Dinge des Lebens interessieren und sich nun in einer Altersgruppe befinden, die einfach nicht in eine Welt passt, in der Jugend und vermeintlicher Perfektionismus nach wie vor an oberster Stelle stehen.
Doch die Realität ist eine völlig andere. Ich plädiere schon lange dafür, dass das Alter nur als eine Zahl, welche die eigenen Lebensjahre bestimmt, betrachtet wird. Dass sich der Körper mit zunehmendem Alter verändert, ist ein ganz normaler Prozess.
Aber das dieser Prozess schon mit 60 beginnt? Das ist meiner Meinung nach Irrsinn. Menschen, die sich heute in ihren 60ern befinden, stehen in der Blüte ihres Lebens. Sie sind aktiv und abenteuerlustig, achten auf ihr Äußeres und sind bereit, für Qualität Geld auszugeben. Die „Neuen Alten“, wie sie in der Literatur häufig so gerne bezeichnet werden, haben nichts mehr mit den Senioren von früher zu tun.
Meine Großmutter ist das perfekte Beispiel dafür: Mit fast 84 Jahren ist sie alt. Das ist ein Fakt, die Zahl 84 ist auf der Skala des Lebens eine, die sich im hinteren Viertel anordnet.
Aber ihr Verhalten? Das passt überhaupt nicht zu dem einer 84-Jährigen, wenn man nach der allgemeinen Stigmatisierung des Altes geht.
Sie ist humorvoll, abenteuerlustig und unterhaltsam, geht gerne einkaufen, liebt es, unter Menschen zu sein und legt viel Wert auf ihr Äußeres.
Ihr Wesen hat nichts mit dem einer 84-Jährigen zu tun, nur der Körper, der setzt ihrer jung gebliebenen Persönlichkeit manchmal Grenzen.
Ich sehe ein, dass sie nicht dem klassischen Bild einer 84-Jährigen entspricht, aber sie spiegelt meiner Meinung nach einen Trend sehr gut wieder, der bereits heute und in Zukunft überwiegend für ein neues Altersbild stehen wird: Das eigene Alter ist die Zahl die man trägt, aber die Lebenseinstellung und das Verhalten sind jene Faktoren, die das wahre Alter bestimmen.
Die McCann Unternehmensgruppe hat nun eine Studie veröffentlicht, welche die Altersthematik aus diesem Blickwinkel betrachtet. Die Devise lautet: Verhalten statt Alter.
Im Rahmen der quantitativen Studie mit dem Titel „Truth About Age“ wurden weltweit die Aussagen von 24.000 Menschen verschiedenster Altersgruppen analysiert. Das Ziel: Herauszufinden, inwiefern die persönliche Lebenseinstellung und das eigene Alter mit klassischen Alters-Stereotypen zusammenhängt.
Ein Leben lang hart arbeiten und plötzlich nichts mehr tun und die Freiheit genießen? Auch dieses klassische Bild wird den Ansprüchen der zukünftigen Senioren nicht mehr gerecht werden. „Hacking Retirement“ (Zu Deutsch so viel wie „aufgehackte Rente“) heißt die neue Vorstellung über den Ruhestand.
Ob sich die Vorstellung auch auf die deutsche Bevölkerung übertragen lässt ist, wurde in der Studie nicht explizit hervorgehoben, jedoch gibt es auch hierzulande bereits eine stattliche Anzahl älterer Menschen, die sich im Alter noch eine Nebentätigkeit suchen oder sich sozial engagieren, damit der Geist fit bleibt und sie eine sinnvolle Beschäftigung haben.
Auf globaler Ebene hat McCann die folgenden Zitate zukünftiger Rentner als Beispiel genannt:
„I´m already living my ideal retirement, my days are full, I´ve thousands of things to do…and when I was working I didn´t have time to dedicate to myself”. Italien – 60er
“I need to have some activity, so I would like to have a small store: I could have someone working there during the morning and I would work there in the afternoon”. Brazil – 60er
“I told my daughter: Do not safe money for my tomb. I´d rather ask she gave the money to me now so I can travel around”. China – 60er
Diese fünf Gruppierungen wurden aus den Ergebnissen der Studie abgeleitet. Sie stellen einen interessanten Ansatz dar, wie ältere Menschen in Zukunft, unabhängig von ihrem Alter, von Werbenden verstanden werden sollten.
Am Beispiel Chile, das in Südamerika am schnellsten alternde Land, ist in der Studie zu erkennen, dass sich die dortige Population am meisten (37%) mit der Gruppe der „Ageless Adventuerers“ identifizieren kann. An zweiter Stelle folgen die „Communal Caretakers“ mit 31 Prozent.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Zusammenhang zwischen dem Alter und dem Verhalten der Menschen in Chile ein nur sehr geringer ist. Sie sind abenteuerlustig, möchten etwas erleben und das Alter spielt dabei nur eine Nebenrolle.
In Chile können sich die meisten Befragten mit den Ageless Adventureres identifizieren. Eine Entwicklung, die sich auch auf andere Länder übertragen lässt?
Es ist unumstritten, dass ein Wandel in der Werbung für ältere Menschen stattfinden muss. Der Spruch „Man ist so alt wie man sich fühlt“ mag abgedroschen klingen, aber seine Bedeutung ist heute aktueller denn je.
Bereits 2020 wird es 18.3 Millionen Menschen in Deutschland geben, die älter als 65 sein werden (Tendenz kontinuierlich steigend) und das bei immer länger anhaltender guter Gesundheit. Wann wird also endlich angefangen, das Thema „Alter“ angemessen in die Werbung zu integrieren?
Die „Neuen Alten“ sind modern, konsumfreudig und haben ästhetische Ansprüche, die von Werbenden endlich mit Ernsthaftigkeit und Realitätsbezug bedient werden müssen.