Der 11. September, Hurrikan Katrina oder die Brände von Paradise im Jahr 2018 – Diese Katastrophen sind wohl jedem ein Begriff.
Katastrophen, die tausende von Menschen das Leben gekostet haben und deren Überlebende unter schwierigsten Umständen geborgen werden mussten.
Katastrophen wie diese sind der Arbeitsplatz von Lette (72) und ihren Hunden.
Ich durfte diese außergewöhnliche Frau in ihrer Wahlheimat New Mexico besuchen und habe einen Einblick in das Leben einer Frau bekommen, deren ehrenamtliches Engagement zur einer Lebensaufgabe geworden ist.
Irgendwo in der bergigen Landschaft New Mexicos nahe Santa Fe, der Hauptstadt des US amerikanischen Bundesstaats, und inmitten der Wüste gelegen, versteckt sich das Haus von Lette und ihrem Mann. Dort lebt das Paar seit mehr als 40 Jahren mit ganz besonderen Mitbewohnern.
Denn die gebürtige Dänin und studierte Lehrerin hat in dieser Region zu einem ganz besonderen „Hobby“ gefunden, wie sie es selbst bezeichnet: Die 72-Jährige ist Mitglied der „Search and Rescue Dogs of the United States“, einer US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation und rettet gemeinsam mit ihren Hunden Menschenleben.
Die Freiwilligen Mitglieder der Organisation bilden nicht nur Hunde aus, die bei Katastrophen nach Überlebenden und Vermissten suchen.
Hund und Mensch sind ein Team, sie bestreiten jeden Einsatz zusammen und helfen häufig dort, wo die Polizei die Suche aufgegeben hat. Sie stehen 365 Tage im Jahr, 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag zur Verfügung – und all das ehrenamtlich.
Zwei junge, vor Energie strotzende Hunde, beide sind sieben Monate alt. In der Regel dauert die Ausbildung 2 Jahre und fordert sehr viel Hingabe.
Piper, der etwas Ruhigere der beiden, wird auf die Suche von Leichen trainiert.
Piña wird später einmal nach Überlebenden suchen.
Jedes Tier, jede Ausbildung und jeder Einsatz, wird von den Freiwilligen selbst finanziert. Bei einem gesamten Einsatzgebiet, das ungefähr anderthalb Mal der Größe Deutschlands entspricht, kommt da ordentlich etwas zusammen.
Doch für die 72-Jährige ist diese Tätigkeit das Größte. Eine Leidenschaft, vielleicht auch eine Bestimmung, die sie niemals aufgeben wird.
Als Lette Ende der 80er Jahre gerade mit ihrem Mann am ausreiten war, fand zeitgleich eine Suchaktion nach einer vermissten Person in einem nahe gelegenen Nationalpark statt.
Das engagierte Paar bot sofort seine Hilfe an und wurde ein Teil des Suchteams.
Als kurze Zeit später ein Mann von einem Hubschrauber mit einem Suchhund vor ihren Augen abgesetzt wurde, stand für Lette fest:
Genau das will ich machen. Ich möchte suchen und Leben retten.
So spontan wie sie die Entscheidung fasste, Mitglied Teil der „Search and Rescue Dogs Association“ zu werden, so spontan war auch ihr erster Hundekauf.
„Ich habe mir ein Buch gekauft, habe mich belesen und mir dann Mrs. Marple zugelegt. Ein Bluthund, denn Bluthunde waren die Besten“.
Wenn Lette von ihrer Tätigkeit als Hundeführerin spricht, spürt man ihre Leidenschaft für das, was sie tut, in jedem ihrer Worte.
Ihre Hingabe für ihre ehrenamtliche Tätigkeit kostet Zeit, vier bis fünf Mal im Monat rückt sie zu Einsätzen aus.
„Es ist eben ein teures Hobby, das ich habe. Andere machen Kreuzfahrten, ich gehe eben suchen“.
Was sie am meisten an ihrer Tätigkeit fasziniert, ist das Draußen Sein und dabei eine Aufgabe zu haben.
„Ich gehe eben nicht nur einfach spazieren, das wäre mir viel zu langweilig. Ich fühle mich so privilegiert, als Erwachsener Mensch suchen zu können. Leute verstecken sich für mich und das, in meinem Alter. Das ist doch wirklich etwas Besonderes“.
Wenn Lette erzählt, schwingt auch immer ein wenig Ehrfurcht mit, vor dem was sie tut. Was sie immer wieder betont ist, wie surreal die Einsätze sind, besonders wenn große Katastrophen wie die Anschläge vom 11. September oder Hurrikan Katrina eintreten.
„Wenn so eine schreckliche Katastrophe stattgefunden hat und du dorthin abberufen wirst, bist du wie in einer Parallelwelt. Es ist alles so surreal und du musst einfach funktionieren. Als die Anschläge vom 11. September geschahen, wurden insgesamt 130 Leute von uns aus New Mexico mit Militärmaschinen zum Pentagon geflogen. 10 Tage lang haben wir nach Vermissten und Überlebenden gesucht. Vor Ort ist immer alles sehr strukturiert. Es gibt sehr durchgeplante Hierarchien, die für einen reibungslosen Ablauf sorgen“.
Bei Katastrophen dieser Größe arbeiten die Bundes- und Landes Einsatzkräfte immer zusammen. Als der verheerende Hurrikan Katrina Ende August 2005 in den südöstlichen Teilen der USA ganze Städte zerstörte und über 1800 Menschen ihr Leben verloren, war Lette als Einsatzleiterin für die Hundestaffel zuständig.
„Bei Hurrikan Katrina haben wir jeden Tag ein neues Lazarett aufgebaut. Zu unserem Team gehörten Ärzte, Krankenschwestern und Bauingenieure. Über viele Tage war es jeden Tag der gleiche Prozess: Aufbauen, Leute bergen, abbauen und am nächsten Tag alles wieder von vorne“.
Lettes Haupt-Einsatzgebiet ist die „Four Corners Region, ein Areal das Teile der Bundesstaaten Colorado, Utah, Arizona und New Mexico umfasst.
Durch eine Zusatzausbildung wird sie ebenfalls bei nationalen Katastrophen hinzugezogen, dies wird sogar teilweise vergütet.
Wenn Lette zu einem Einsatz gerufen wird, kann es sich um alles handeln.
Menschen, die sich verirrt haben, Menschen, die von Angehörigen vermisst werden, aber auch Kriminaldelikte, bei denen die Polizei auf die Unterstützung der „Search and Rescue Dogs“ angewiesen ist.
„Wenn du für einen Kriminalfall hinzugezogen wirst, musst du sehr aufpassen. Jeder Schritt, der gemacht wird, muss genau dokumentiert werden, denn auch wir als Helfer können bei Ungereimtheiten strafverfolgt werden. Wenn du dann nicht gründlich genug gearbeitet hast, kann es passieren, dass der Strafverteidiger des Verdächtigen dich auf einmal vor Gericht sehen möchte“.
Lette hat bei ihren Einsätzen schon alles gesehen, der Tod ist Teil ihrer Tätigkeit.
Manchmal müssen die Helfer mehre Stunden bei den Leichen verbringen, bis der Haupt Einsatzleiter eintrifft. Aber das gehört dazu, zu diesen ehrenvollen Einsätzen. „Du musst ja nicht hinschauen. Ich setze mich oft einfach mit dem Rücken zu der gefundenen Person und warte“.
Die Beziehung, die Lette zu ihren Hunden hat, ist eine ganz Besondere. Sie weiß genau was sie zu tun hat, um ihre Tiere zu den Suchhunden heranzuziehen, die in jeder Situation einmal hundert Prozent geben werden.
Die 72-jährige lebt, für das was sie tut. Auf die Frage hin, wie sie das alles schafft antwortet sie nur lachend:
„Ich glaube, ich bin einfach so geboren“.